Die emanzipierte Form
2009 – 2011 Serie von neun Objekten
Tüll, Nägel, Holzrahmen, Acrylglas, jedes Objekt 59 x 59 cm
Werner-Maria Klein:
Die emanzipierte Form – Die Künstlerin Nora Bachel
„Dann haben die Dinge sich aufgerichtet und jetzt machen sie Front gegen uns: ihre Augen sind das Licht dieser Zeit“ (Francis Ponge)
Das Kunst-Werk von Nora Bachel ist ein in sich geschlossenes System ohne Aussage über etwas anderes als sich selbst, von nichtsubstituierender Prozesshaftigkeit.
So entschlagen sich die Arbeiten von Nora Bachel in ihrer von akademischen Wiederholungszwängen emanzipierten Selbstbezüglichkeit jeglicher kulturhistorisch bedingter Chiffrierung längst sinnentleerter, jedoch ungebrochen konditionierender Symbola, also Erkennungszeichen einer „pseudosinnstiftenden“ Orthodoxie, oder einer wie auch immer zu bezeichnenden selbsternannten qualifizierten Minorität, die meist als männliche Machtstruktur natürlich auch säkularer Natur ist, da weder sakral, noch profan wahrgenommene Gegebenheiten an den Klippen der Vernunft zerschellend eine von einander abweichende Rezeption ermöglichen, die ihrem Charakter nach als verabredete Geheimzeichen in der Lage sind, alle „Nichteingeweihten“, also „Nichtwissenden“ von einem Diskurs, welcher Art auch immer, a priori gänzlich auszuschließen, oder aber in die Irre bildungsferner Schichten (Pseudoreligionen und andere antidemokratisch rückwärtsgewandte faschistoide Weltanschauungen), zu führen, sondern folgt einer durch Klarheit und Logik geprägten Objektivität, die als Äquivalent einer ungebrochen zu erstrebenden aufgeklärten Zivilgesellschaft zu verstehen angetan ist, der Akzentuierung des Kontextes einer Sache.
Die Arbeiten der Künstlerin folgen immanenten Gesetzmäßigkeiten einer klar definierten morphologisch nachvollziehbaren verdinglichten Realität, die natürlich auch mit der Immaterialität von Luft, Licht und Schatten argumentiert, also in einer Festlegung wesentlichen Determinanten, so dass am Beispiel klarer geometrischer Strukturen (Flächenarbeiten, Materialbilder, Rauminstallationen) jenes Kausalverhältnis deutlich erkennbar wird, da sich die zum Ausdrucksgebilde mutierten Objekte nicht als tradierte Skulpturen verstehen.
Das von simplifizierenden „Ismen“ emanzipierte Kunstwerk, das sich einer stets neu zu erlernenden Grammatik einer permanent mutierenden Formensprache bedient, argumentiert nicht in banal konstruierter fasslicher Form, wie dies bis zu einer manierierten Überblüte in der „Kunstgeschichte“, (Kunst kann nicht an der so genannten „Kunst-geschichte“ gemessen werden) also einer sanktionierten und mehr oder weniger intellektuell unbeschenkten Staatskunst (Despotengeschmack) vergangener Epochen, bis in „unsere“ von banaler Übersichtlichkeit gekennzeichneten Gegenwart, zu bemerken sei, sondern wird begleitet von ineinanderfließende und einander bedingende, also im wahrsten Sinne des Wortes „vertexteter“ Informationen über die Durchdringung beispielsweise geometrischer Formen und anderer durch die freie Themata und Medienwahl von der Künstlerin Nora Bachel als Ideengeberin zu Verfügung gestellten Formen, erst durch gedanklich assoziative Prozesse in der Vorstellung eines mit den Wesenszügen der Kunst befassten selbstreflektierten Betrachters, trotz unvermeidlicher Dissonanzen zur eigenen Erfahrungswelt, beseelt und als Grundlage angestrebter gesellschaftsimmanenter Kommunikation, die eine Verbindung zwischen gemeinten Gegenstand und Bewusstsein herzustellen vermag, existent. Ohne die Grammatik der emanzipierten Verabsolutierung der Formen an sich und der daraus resultierenden Sprache, könnte die Vorstellung nicht zum Zeichen für das werden, was in der objektiven Verdinglichung des Gegenstandes zu erkennen ist. In dieser Funktion des Trennens und Verbindens liegt der tiefere Sinn für die Wirkung der Formensprache der Kunst von Nora Bachel, als umfassendstes und differenzierendes Ausdrucksmittel auf das Denken des nach Erkenntnis (Im Sinne der Philosophie ist Erkenntnis immer „etwas als etwas erkennen“) strebenden Menschen.
Bei der autobiographischen Arbeit zum Triptychon, „I Love You“, einer nur scheinbar porträtartigen generationenüberschreitende Auseinandersetzung mit dem tradierten Frauenbild innerhalb der Familie der Künstlerin, wird die in mehreren Schichten abgebildete Realität durch die Bildrealität ersetzt, die der Abbildfunktion enthobenen (Aus dem vorbildgerechten Abbild wurde ein bildgerechtes Abbild) – Linien, Flächen, Nichtfarben, Farben (Die Farbe ist Autonom und ein eigenständiges Material das nicht reproduziert sondern repräsentiert! Sie ist nun weder Lokal oder Erscheinungsfarbe, sondern selbst fähig, etwas auszudrücken oder Empfindungen mitzuteilen) und neu geschaffenen Räume und die damit einhergehende Immaterialität (Luft, Licht und Schatten), werden vom Darstellungsmittel zum autonomen Gestaltungsmittel, einer von ideologisch und theologisch verbrämter Zwängen befreiten Realität, die nun reduziert auf die Ästhetik des Materials und der Dinge, die unterschiedlich motivierten historischen Emanzipationsbestrebungen des denkenden Menschen, seien es nun Frauen, oder Männer, aus mannigfaltiger gesellschaftlich verordneter geistiger Enge, zu thematisieren vermag.
„Es mag lange gedauert haben, ehe die Menschen darauf dachten, die mannigfaltigen Gegenstände ihrer Sinne mit einem gemeinschaftlichen Namen zu bezeichnen und sich entgegen zu setzen. Durch Übung werden Entwicklungen befördert und in allen Entwicklungen gehen Teilungen, Zergliederungen vor, die man bequem mit den Brechungen des Lichtes vergleichen kann. So hat sich allmählich unser Inneres in so mannigfaltige Kräfte zerspalten und mit fortdauernder Übung wird auch diese Zerspaltung zunehmen. Vielleicht ist es nur krankhafte Anlage des späten Menschen, wenn sie das Vermögen verlieren, die zerstreuten Farben ihres Geistes wieder zu mischen und nach Belieben den alten einfachen Naturzustand herzustellen, oder neue mannigfaltige Verbindungen unter Ihnen zu bewirken.“ (Novalis)